Der Mühlhiasl und die Mühle in Apoig

Neue Erkenntnisse über das Leben des Mühlhiasl – von Kornel Klar, Ortschronist, 4/2000

Mühlhiaslmühle mit Schafen

Hier soll der legendäre Waldprophet Mühlhiasl gelebt und sinniert haben.

Hunderdorf ist die Heimat des legendären Waldpropheten Mühlhiasl. Die Stätten, die schicksalhaft das Leben des Mühlhiasl beeinflußt haben, sind die Mühle in Apoig, das Kloster Windberg und die Klostermühle in Dambach.

 

Die Ortschaft Apoig, Geburtsort des Mühlhiasl, lag bis in die sechziger Jahre in der Gemeinde Hunderdorf. Heute ist sie mit dem Ort Hunderdorf verschmolzen. Nur noch die Apoiger Straße und eine Tafel vor der Gaststätte Sandbiller erinnern an diesen Namen, der in der Vergangenheit bekannter war als der Hauptort Hunderdorf. Zur Mühle im ehem. Apoig weist heute der "Mühlhiaslweg" hin.

 

Seine Berühmtheit erlangte der Ort Apoig durch den Seher und Propheten Mühlhiasl, der auf der dortigen Mühle zur Welt gekommen ist. Wann diese Mühle erbaut worden ist, konnte bisher nicht erforscht werden; sicher ist sie schon sehr alt und muß zu den vielen Mühlen gezählt werden , die schon im Mittelalter entstanden sind. Das Wasser der zahlreichen Bäche und kleinen Flüsse des Bayerischen Waldes haben schon sehr früh die Menschen zum Antrieb von Wasserwerken wie Mühlen, Hammerschmieden und in neuerer Zeit mit Turbinen zur Erzeugung elektrischen Stroms angeregt.

 

Die älteste bekannte Kunde von der Mühle zu Apoig stammt aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 1676 war ein Kaspar Hagnberger Müller auf der Apoiger Mühle. In diesem Jahr nämlich fand seine Trauung mit seiner Verlobten Maria statt. Kaspar muß bald gestorben sein und hinterließ keine Nachkommen.
Unweit von Apoig, in der Ortschaft Höllmühle bei Mitterfels, lebte auf der dortigen Mühle die Müllersfamilie Lang. Von den vielen männlichen Kindern konnten nicht alle auf die Erbschaft der Mühle hoffen. Als nämlich Sohn Joachim Lang vom Tode des Hagnbergers erfuhr, sah er die Möglichkeit, durch die Heirat mit der Witwe Hagnbergers selbständig zu werden. So kam es, daß sein Werben erhört wurde und er 1669 die Witwe Maria vor den Altar führen konnte. Diese Ehe begründete die Linie der Lang auf der Apoiger Mühle, die in der Folge in fünf Generationen in Apoig zu finden waren.

 

Der Ehe entsprossen sicher mehrere Kinder. Eines davon, Simon Lang, wurde zum Vater des 1722 (oder 1725) geborenen Matthias Lang. Dieser war das einzige Kind des Simon Lang. Er heiratete am 06. Juli 1745 die Anna Maria Iglberger vom nahen Orte Grub, mit der er die Kinder Mathäus (Mühlhiasl), geb. 16.09.1753, Johann, geb. 25.04.1755, Anna, geb. 1757 und Anna Maria, geb. 1762 hatte. Da der Vater der Kinder 1770 als Witwer genannt wird, muß seine Frau Anna Maria früh gestorben sein. Er ging eine zweite Ehe ein und zeugte noch die Kinder Joseph, geb. 1781, Wolfgang und Jakob.

 

Der berühmteste unter den vielen Kindern war Mathäus, der als Mühlhiasl über die Grenzen seiner Heimat als Seher und Prophet bekannt geworden ist. Er wurde von Pater Johannes Nepomuk Altmann im Kloster Windberg getauft, als Taufpate fungierte Georg Bayr (Baier) von Buchberg (Vorderbuchberg), damals Pfarrei Hunderdorf. Auf der unteren Klostermühle in Dambach erlernte der Mühlhiasl das Müllerhandwerk.

 

Vom Bruder seines Vaters entstammt dessen Sohn Johann Georg Lang, der später Müller in Dambach wurde. Dieser heiratete 1789. Mühlhiasl`s Bruder Johann war bis 1801 Hüter (Hirte) im Kloster Windberg und dann Mühlknecht bei Lettl auf der oberen Klostermühle in Apoig. Halbbruder Josef arbeitete auf der väterlichen Mühle in Apoig.

 

Der Mühlhiasl als Müller

Im Jahre 1788 ehelichte Mühlhiasl die Barbara Lorenz von Recksberg bei Haibach. Sie schenkte ihm acht Kinder; jüngster Sohn war Johann Evangelist; zwei Buben und eine Tochter starben früh.

 

Schon im Jahre 1778 hat der Mühlhiasl die Mühle in Apoig von seinem Vater übernommen (bei Backmund erst 1799). Anders als seine Vorfahren, war der Mühlhiasl ein schlechter Wirtschafter. Ob der reiche Kindersegen oder andere Umstände daran schuld waren, wir wissen es nicht. Er kaufte schlechtes Getreide und verdarb somit das Geschäft. In seiner finanziellen Not nahm er 1799 vom Kloster Windberg ein Darlehen von 75 Gulden auf. Da er in der Folgezeit die Schulden nicht abzahlen konnte, mußte er 1801 von der Mühle weichen, die im Besitz des Klosters war. In diesem Zusammenhang hat er eine Prophezeiung gemacht, die das Schicksal des Klosters betraf. Als man ihn einmal vor der Klosterpforte stehen ließ und ihn verjagte, weissagte er: „Gut, ich gehe, aber so wie ihr mich jetzt verjagt, so werden euch bald andere aus dem Kloster jagen!“. Schon zwei Jahre später wurden bei der Säkularisation 1803 die Patres aus dem Kloster vertrieben.

 

Das Schicksal des Mühlhiasl

Nun war der Mühlhiasl heimatlos. Mit seiner Familie fand er zunächst im Nebengebäude der unteren Klostermühle in Dambach Unterschlupf, wo seine Großmutter und ein Sohn starben. Manche wollen wissen, daß seine Frau Barbara zu den Eltern nach Recksberg und dann zu Verwandten nach Straubing gezogen ist, wo sie in einer Gärtnerei Arbeit fand und diese 1805 erwerben konnte. Von seinem Halbbruder Joseph verliert sich jede Spur; zwei seiner Töchter verdingen sich als Hausmädchen und heiraten, zwei Buben sollen ausgewandert sein.

 Grossansicht in neuem Fenster: Ahnentafel der Familie Lang

Die Mühle in Apoig wurde 1801 an den Müller Josef Lettl von Irlbach um 3450 Gulden verkauft, die er zwei Jahre später um 7750 Gulden wieder veräußerte. Und der Mühlhiasl? Nicht lange blieb er in Dambach. 1804/05 wird von einem Streit mit seinem Bruder Johann berichtet, der ihn veranlasste, die Heimat zu verlassen. Es trieb ihn in den Wald. Von Mühle zu Mühle zog er als Mühlenrichter und reparierte schadhafte Anlagen. Sogar als Viehhüter und Kohlenbrenner soll er sich verdingt haben, um zu überleben. Er soll sich in der Gegend um Rabenstein aufgehalten und in Zwiesel seine letzte Ruhe gefunden haben. Über den Ort und die Zeit seines Todes wird viel gerätselt. Genaues ist nicht bekannt. Er soll 1809 gestorben sein, weil in diesem Jahr seine Frau Barbara als Witwe bezeichnet wird. Andere verlegen seinen Tod auf das Jahr 1825, in dem auch sein Bruder Johann verstorben ist. Pfarrer Landstorfer setzt seinen Tod in die Zeit zwischen 1810 und 1820, W. J. Beck sogar zwischen 1825 und 1830. Ob dieses Rätsel jemals gelöst werden kann?

 

Der Bruderzwist und das Mühlhiaslkreuz

Ein Ereignis aus dem Leben des Mühlhiasl soll hier noch angeführt werden. Wolfgang Johannes Beck schreibt in seinem Buch „Mühlhiasl“, der Seher des Bayerischen Waldes. Deutung und Geheimnis“:

 

1935 wurde der Pfarrprovisor Lecker von Hunderdorf zu einer Sterbenden gerufen. Sie lebte in der Oberen Klostermühle, der Apoigermühle, die früher an Mathäus Lang, alias Mühlhiasl, verstiftet gewesen war. Nachdem Pfarrer Lecker die Sterbesakramente gespendet hatte, bemerkte er an der Mauer neben dem Kamin ein beschädigtes, völlig verrußtes Kruzifix. Dem hölzernen Christus hingen die Arme herab, an den verschränkt angenagelten Füßen fehlten einige Teile. Der Querbalken war aus dem Lot. Pfarrer Lecker berichtet wörtlich: „Als ich so das Kreuz anschaute, meinte die Tochter der Sterbenden, „Herr Pfarrer, wolln`s dös Kreuz?“ Als ich dies bejahte, nahm ich es von der Wand. Während sie es in Zeitungspapier einwickelte, erzählte sie mir, daß dies das Mühlhiasl-Kreuz sei. Einmal hätte der Mühlhiasl hier in der Apoigermühle mit seinem Bruder Streit bekommen. Dieser Bruder war der 1755 geborene, als Hüter des Klosters Windberg beschäftigte Johann Lang. Was der Grund für den Streit war, wissen wir nicht. Im Verlauf des Streites habe der Bruder ein Messer gezogen und sei auf den Mühlhiasl losgegangen. Dieser sprang zur Seite, riß im Herrgottswinkel das Kruzifix herunter und schlug es seinem Bruder über den Kopf. Die Verletzungen des Bruders müssen sehr schwer gewesen sein, denn der Mühlhiasl habe auf der Stelle die Apoigermühle verlassen und sich im Wald versteckt. Sein Bruder überlebte den Streit und starb viele Jahre später in der Pfarrei Hunderdorf. Gelegentlich war auch vermutet worden, der Mühlhiasl sei aus Angst vor gerichtlicher Verfolgung geflohen.

 

Die Prophezeiungen des Mühlhiasl

In seine Heimat soll er nicht wieder zurückgekommen sein. In den finsteren Stuben der Waldlerhütten hörten ihm jung und alt zu, wenn er seine Weissagungen und Prophezeiungen zum Besten gab. Man staunte über seine Intelligenz und Sprachgewandtheit; viele belächelten ihn, andere bewunderten seine Sehergabe. Vieles von dem, was der Mühlhiasl vorausgesagt hatte, ist inzwischen eingetroffen, manches aber wartet auf eine Verwirklichung.

 

Über ein Jahrhundert wurden Mühlhiasls Prophezeiungen nur von Mund zu Mund weitererzählt. Daß manches hinzukam oder weggelassen wurde, was aus dem Mund des Mühlhiasl kam, kann man sich denken.

 

Pfarrer Georg Mühlbauer, der 1921 im Alter von 93 Jahren starb, erfuhr über Mühlhiasls Prophezeiungen von seinem Vater, der nahezu 97 Jahre alt geworden ist und den Mühlhiasl persönlich gekannt haben soll. Die erste schriftliche Veröffentlichung stammt aus dem Jahre 1923 aus der Feder des Pfarrers Johann Evangelist Landstorfer, gestorben 1949 in Oberalteich. Die im Straubinger Tagblatt erschienenen Prophezeiungen hat er aus dem Munde des Pfarrers Mühlbauer erfahren. Ihm ist es also zu verdanken, daß diese heute noch lebendig geblieben sind.

 

Je undurchsichtiger die Zeiten sind, desto eher neigen die Menschen dazu, alten Prophezeiungen ein gehör zu schenken und sie wieder in Erinnerung zu bringen. Immer wieder hört man: "Das hat schon der Mühlhiasl prophezeit!" Den ältesten schriftlichen Aufzeichnungen über die Weissagungen des Waldpropheten entnehmen wir nachstehende Zeilen. Bemerkenswert ist festzustellen, daß die meisten Prophezeiungen des Matthias Lang, wie der Mühlhiasl mit bürgerlichem Namen hieß, damit enden, daß er ein "Weltabräumen", also eine Art Katastrophe, vorhersagt. Viele dieser Zukunftsdeutungen scheinen sich erfüllt zu haben, wenn man auch seine Worte oft auf vielfältige Art auslegen und deuten kann.

 

Pfarrer Landsdorfer von Oberalteich hat sich vor einem halben Jahrhundert eingehend mit der Lebensgeschichte des Mühlhiasl befaßt und seine Zukunftsvisionen niedergeschrieben und veröffentlicht.

 

"Eine Zeit kommt, vo die Welt abgeräumt wird und die Menschen weniger werden". Um diese Aussage gruppieren sich viele seiner Weissagungen. "Wenn d' Bauern mit gewichsten Stiefeln (Gummistiefel?) in die Miststatt hineinstehen; wenn sich d' Bauernleut g'wandn wie die Städtischen und die Städtischen wie die Narren; wenn die Mannerleut rote und weiße Hüte aufsetzen - nacher ist nimmer weit hin." Denken wir an die Vielfalt der Mode der letzten Jahrzehnte, so ist ein wenig Wahrheit in dieser Aussage.

 

"Wenn d' Leut nichts mehr tun als fressen und saufen, wenn d' Bauernleut lauter Kuchen fressen, wenn Bauernleut d' Bauernleut lauter Kuchen fressen, wenn Bauernleut d' Hendl und Gäns selber fressen - wenn Bauern alle Awanter (Grenzraine) umackern und alle Stauern (Hecken) aushauen, wenn Bauern alle politisieren....., nacher ist nimmer weit hin." Daß es uns allen recht gut geht, was die Ernährung anbelangt, ist nicht zu leugnen. Ob er auch auf die überall durchgeführte Flurbereinigung hinspielte?

 

Viele seiner Zukunftsdeutungen zielen auf die Entwicklung des Verkehrs: "Wenn die schwarze Straß von Passau heraufgeht, wenn die schwarze Straß über die Donau herüberkommt und ins Böhm hineinläuft, wenn der eiserne Hund in der Donau heraufbellt, wenn d' Leut in der Luft fliegen können, wenn 'd Wagen ohne Roß und Deichsel fahren, wenn die meisten Leut mit zweiradeligen Karren fahren, so schnell, daß kein Roß und kein Hund mitlaufen kann - dann steht's nimmer lang an." Zu diesen Aussagen, sollten sie wirklich vom Mühlhiasl stammen, braucht man wohl nichts nichts hinzuzufügen. In Hunderdorf zeigt er genau jene Stelle an, an der später die Eisenbahnlinie erbaut wurde: "Bis hierher und nicht weiter".

 

Auch über die Besiedelung unseres Raumes machte er Aussagen. " In der Stadt werden fünf- und sechsstöckige Häuser 'baut, überall werden Häuser 'baut, Häuser werden 'baut wie 'd Schlösser und d' Pfarrhöf, Schulhäuser werden 'baut wie Paläst." Wenn wir die moderne Art zu bauen betrachten, könnte der Mühlhiasl gar nicht Unrecht gehabt haben. "In Lintach wird alles voller Häuser und Lehmhütten ang'schlöttet, aber nacher wachsen einmal Brennesseln und Brombeerndörn zu'n Fenstern außer". Am früheren Weiher von Eglsee zeigte er genau die Stellen an: "Da wird ein Haus baut", dort steht heute das Gemeindehaus. Schwer zu deuten ist nachstehende Weissagung. War mit ihr das Haus in Breitfeld oder das lange Zeit unverputzte Noltewerk gemeint? "Da wird ein Haus 'baut, wird aber zuvor nicht aus'baut, wenn's gleich schon lange 'baut ist."

 

Über Religion sagte er voraus: "Zuerst kommen die vielen Jubiläen - überall wird übern Glauben gepredigt, überall sind Missionen. Kein Mensch kehrt sich daran. D'Leut werd'n erst recht schlecht. D'Religion wird noch so klein, daß mans in ein' Hut hineinbringt. Der Glauben wird so dünn, daß man ihn mit der Geißl abheuen kann. Der Glauben wird so wenig, daß man ihn mit'm Geißelschnappen vertreiben kann. Übern katholischen Glauben spott'n am besten die eigenen Christen".

 

Auch über die Wirtschaft wußte er zu berichten: "s' Gold geht zu Eisen und stahl. Um ein Goldstück kann man noch einen Bauernhof kaufen. - s'Holz wir so teuer wie der Zucker, aber g'langen tuts." Ob hier die Energiekriese herhalten muß? - "Einerlei Geld kommt auf. Geld wird gemacht, so viel, daß mans gar nimmer kennen kann, wenns gleich lauter Papierflanken sind (Inflation nach dem 1. Weltkrieg!), kriegen die Leut nicht genug daran. Auf einmal gibts keins mehr".

 

Da dem Mühlhiasl nachträglich Dinge als "geweissagt" untergeschoben werden, die er gar nicht gesagt hat, ist verständlich. denn wir Menschen werden immer unsere Deutungen, unsere Ängste und Befürchtungen hineinlegen, aber auch unsere Sehnsucht nach Frieden und Geborgenheit.